Ich wache durch das Geräusch von schweren Regentropfen auf
Zelthaut auf und sehe vorsichtig durch den
Reißverschluß:
die Sonne scheint! Eine Kopfdrehung nach oben: ich befinde mich genau
unter einer dicken Regenwolke. Die kann sich aber noch nicht
entscheiden, ob sie jetzt hier abregnet oder 100 Meter weiter. Mir
egal, ich koche erstmal Kaffee, dann sehe ich weiter. Aber als ich mit
dem Kaffee auf dem Roller sitze, stelle ich fest, dass das mit dem
"weiter sehen" hier nicht geht. Dies enge Tal verhindert die Sicht in
Wetterrichtung und so kann ich keinen persönlichen
Wetterbericht
für die nächste Stunde erstellen.
Ich fahre ohne los (die Wolke hat
beschlossen, nicht hier zu regnen)
und bin nach 10 Kilometern an der Grenze zu Luxemburg. Diese Grenze ist
nicht unbedingt als solche zu erkennen, aber ich muss über den
Fluss Our
und dahinter sehen die Schilder etwas anders aus. Ich folge
der Our
nordwärts bis Dasburg und biege dann wieder in
Wetterrichtung ins nördliche Luxemburg ab. Dieser Teil der
Welt
sieht genauso aus, wie die Eifel und beim Tankstopp kurz vor Clervaux
stelle ich fest, dass auch die Menschen hier genauso sprechen, wie die
in der Eifel. Der Sprit in Luxemburg unterscheidet sich allerdings
deutlich von dem in Deutschland: er kostet pro Liter nur 1,16 Euro.
Warum hat mein Roller eigentlich nur einen 8-Liter-Tank ...
20 Kilometer weiter: die Belgier haben
es mir ihrer Grenze wohl genauer
genommen als die Luxemburger. Die Straße zeigt mit ihrem
Verlauf
und den Parkbuchten deutlich, dass hier mal eine ordentliche
Grenzkontrolle stattgefunden hat. Und heute noch "ziert" ein
großes Schild die Grenze. Ein weiteres belehrt, dass es auch
in Belgien Geschwindigkeitslimits gibt.
Eine nette Touristenattraktion findet
sich im Dorf Vresse:
der Holznachbau der ersten belgischen Lokomotive, die 1835 von Mecheln nach Brüssel
fuhr.
Am späten Nachmittag komme
ich nach Hautes-Rivières
und
stelle fest, dass ich die belgisch- französische Grenze
überquert haben muss. sie war aber nicht zu sehen. Der Ort
liegt
im Tal der Semois,
die sich in diesem Bereich heftig
schlängelt
und eine sehr schöne Landschaft geschaffen hat. Leider habe
ich
wenig Zeit dafür, das Bellatreffen ruft und dies Tal
läuft
nicht weg, ich komme dafür noch mal wieder.
Einen Schauer und zweimal "verfahren" später lande ich in Revin
im
Tal der Meuse.
Ich habe mich durch das Schlängeln der Semois
irritieren lassen und bin falsch abgebogen. Da die Karte, die ich
benutze, nur einen großen Maßstab hat, frage ich. 2
der 3
Franzosen verstehen mein Englisch und wollen mir helfen, jedoch: keiner
spricht auch nur ein Wort Englisch oder Deutsch. Wir kommen aber
trotzdem klar, weil ich die französischen Worte für
rechts,
links und geradeaus drauf habe, die Längenangaben denen in
Deutschland entsprechen und die Zeichensprache international ist.
Dafür habe ich kurz vor Revin
noch einen "Abstecher" nach Madagascar
gemacht.
Ich stehe mitten in Revin
an einem Platz, auf dem in anderen
Städten der Ortsplan steht. Hier steht nichts, was mir den Weg
zu
einem Campingplatz zeigen könnte. Ich frage also wieder,
diesmal
einen Mann in meinem Alter, der gerade auf seinen modernen Roller
steigen will. Auch der spricht kein Englisch, er sagt
überhaupt
kein Wort, sondern grinst fröhlich und nickt, startet seine
Motorsäge und macht das internationale Zeichen für
"Mir
nach!". Fünf Minuten später bremst er, deutet auf den
Zeltplatzeingang, grinst wieder fröhlich und macht das
internationale Zeichen für "Eh, Deinen Roller finde ich echt
Klasse, machs gut und halt dich grade!" Das nenne ich Service ...
Der Campingplatz liegt direkt am Fluss
ziemlich zentral, ist gut und
sauber eingerichtet und außerordentlich preiswert (Die Dame
an
der Reception spricht auch verständlich deutsch und englisch).
Es
ist früh am Tag und deshalb sehe ich mich in der kleinen Stadt
um. Eine arme Stadt, der es
früher mal richtig gut gegangen sein
muss,
was man an der Architektur der Häuser heute noch sieht. Heute
hängen die Kinder und Jugendlichen auf der Straße
herum und
wissen nichts anzufangen mit sich und dem Ort, in dem sie leben. Der
einzige Spaß sind die Mopeds und Roller, auf denen sie - ohne
Auspuff versteht sich - stundenlang durch die Stadt gurken. Der Krach
reißt auch am späten Abend nicht ab und versaut mir
die
Nacht.