Die Bürgerkriegsenthusiasten haben es auch heute mit
den
Musikinstrumenten: geweckt wird standesgemäß mit
Trompetensignal und Trommel. Trotz der Entfernung weckt es auch mich.
Der Wecker im Handy hat das schon um 7 Uhr vergeblich versucht. Es ist
immer noch heftig windig, aber der Wind hat gedreht und das
Gebäude bietet etwas Schutz. Die Sonne scheint heftig, ich
stehe
auf und mache mich fertig.
Um kurz vor neun kurvt ein neuer Peugeot vor mich auf den Rasen -
völlig unstandesgemäß ohne Bella erscheinen
Bill und
Sue Dorling, Bill ist der Präsident des "Zundapp
Bella
Enthusiast's Club". Beide begrüßen mich
sehr
herzlich und
freuen sich, dass auch jemand vom Kontinent hier ist, noch dazu auf
eigener Achse. Bill erklärt mir das Fehlen einer Bella mit
seiner
altersbedingten Krankheit, er hat seinen Roller in gute Hände
abgegeben und wahrscheinlich werden die guten Hände auch hier
erscheinen und seinen Roller mitbringen.
Innerhalb der nächsten 2 Stunden passiert zweierlei: erstens
tauchen viele andere Clubmitglieder auf und zweitens die restlichen
Wolken ab. Der Tag verspricht, wunderschön zu werden. Aber
igendwas stimmt hier nicht, ich habe nur keinen Schimmer, was.
Um elf wird mir klar, was nicht
stimmt: Bellas stehen jetzt genug auf
dem Rasen, aber nicht ein einziges Zweitaktgeräusch war bis
jetzt
zu hören. Alle Roller sind bis jetzt im Transporter oder auf
dem
Hänger hierher gekommen. Deshalb beschließe ich,
dass ich
noch Sahne (für den Kaffee) und Käse kaufen muss. Und
holen
kann ich mir das ja nur mit dem Roller. Und so drehen sich alle
Köpfe nach mir um, denn als mein Roller anspringt, ist das ein
bis
jetzt ungewohntes Geräusch.
Meine Einkäufe mache ich im Tante-Emma-Laden von gestern Abend
und
die alte Frau freut sich sichtlich, dass ich es heil über die
A5
geschafft habe, und das nun schon zweimal. Trotzdem ermahnt sie mich
nochmal, ja vorsichtig zu sein und wünscht mir gute Fahrt.
Allerdings: im Gegensatz zu den Männern, denen ich bisher
begegnet
bin, interessiert sie der Roller überhaupt nicht.
Wieder zurück beim Treffen.
Jetzt sind die meisten da und sind
auch fertig mit dem Auspacken und Aufbauen. Sie wenden sich jetzt mir
zu, begrüßen mich, fragen viel und bewundern die
Leistung
des Rollers mit vielen Worten, denen ich oft nicht ganz folgen kann.
Ich muss mein technisches Englischvokabular dringend ergänzen.
Das
erste englische Wort, das ich lerne, ist: "reliable" =
"zuverlässig". Abgesehen vom technischen Wortschatz klappt die
Unterhaltung ganz gut, mein Englischlehrer hätte seine helle
Freude.
Gegen Mittag findet eine Ausfahrt statt, ca. 20 Kilometer,
dann eine
Pause im Pub mit Mittagessen. Fast alle verbringen die Essenzeit im
Pub, ich sitze lieber im Garten und genieße die Sonne. Der
Tag
ist wirklich wunderschön, so sollte es noch 14 Tage bleiben.
Während der Rückfahrt ziehe ich meinen Fotoapparat aus
der Jacke und drehe einen kurzen Film. Jetzt, wo ich nicht mehr den Druck
des Termins habe, kann ich mir mehr die Landschaft ansehen, und mir ist
aufgefallen, dass in diesem Teil Englands viel weniger Hecken an der
Straße stehen, man kann viel mehr vom Land sehen und das
filme
ich zusammen mit dem Dutzend Bellas um mich rum.
Als wir wieder auf dem
Gelände von Stanford Hall sind,
beginnen
die Benzingespräche. Und weil den Engländern langsam
klar
wird, wie lange ich den Roller schon fahre, werde ich auch um Rat
gefragt. Einer kommt zu mir und will wissen, warum seine neue Kette so
viel Geräusch macht, ob das normal sei? Ich sehe mir die Kette
an,
sie sitzt stramm gespannt auf den Kettenrädern. Deshalb sage
ich
ihm ganz klar, das sei "the second fastest way to destroy the chain"
und zeige, wieviel Spiel sie haben muss. Nach der schnellsten Methode
hat er sicherhalber nicht gefragt ...
Ich mache viel Fotos von den Rollern
und von Details, die ich
vielleicht mal auf meiner Website verbraten will und mir kommt
irgendwas an einer ganzen Anzahl der Bellas merkwürdig vor.
Ich
brauche eine Reihe von Fragen, und dann löst sich das
Rätsel:
viele der Bellas haben das Gesicht der 200er Modelle, sind aber in
Wirklichkeit 150er. Man erzählt mir, das der Importeur die
Roller
aus Steuergründen in Einzelteilen ins Land geholt hat und weil
er
sie sowieso zusammenschrauben musste, konnte er den "kleinen" Rollern
das Gesicht der "großen" verpassen. Und ich dachte bis jetzt,
dass ich die einzelnen Modelle gut unterscheiden kann ...
Den Abend verbringen wir mit Essen und Trinken, aber schon gegen halb
10 schon machen sich die ersten auf die Socken und eine
wunderschöner Tag geht zu Ende. Wie haben die das mit dem
Wetter
geschafft???