Tag 5 - Montag
Als ich um acht aufwache, hat es gerade aufgehört, zu regnen, aber eine dunkle Wolkenfront droht weit im Westen. Also warte ich erst mal ab und frühstücke. Dabei benutze ich zum ersten Mal das kleine Stativ und den Selbstauslöser. Weil das mit dem "zum ersten Mal" auch für den Selbstauslöser gilt, stelle ich heute erst fest, dass diese Betriebsart in meiner vollelektronischen Knipskiste mir nur noch 10 Sekunden Zeit lässt, mich wieder ins Bild zu setzen. Meine alte Spiegelreflex hatte es nicht so eilig und konnte glatt 30 Sekunden warten. In der Zeit kommt man locker überall hin, aber in 10 Sekunden wieder zurück, den Kaffee ohne zu verschütten greifen und "bequem" hinsetzen? Fast unmöglich, ich brauche 5 Bilder, um ein brauchbares Ergebnis zu erhalten. Das lasse ich in Zukunft.
In der Zeit haben Zwerghühner mein Frühstück entdeckt und nutzen die Tatsache, dass ich nur Augen für meinen Fotoapparat habe ...
Ich baue ab, fahre zum Hafen und: der Einheimische gestern hatte recht. Die jetzige Fähre befördert nur noch Radfahrer und Fußgänger und sie nimmt mich nicht mit, weil mein Gefährt zu breit ist für den Zugang. Scheiße !!! (Warum werden Internetseiten nicht zwangsweise aktualisiert? Warum gibt es kein Gesetz dafür? Warum ?)
Was jetzt? Ein Blick auf die Sch...-widerspenstige Karte ergibt 12 Kilometer Länge des Tunnels. Und ein kurzes Nachschlagen im Gehirnlexikon ergibt: Autobahntunnel habe hier meistens ein Gefälle hinein und eine Steigung wieder raus. Und da sie 2 Röhren haben, zieht die Luft in jeder Röhre immer in Fahrtrichtung mit etwa Fahrzeuggeschwindigkeit. Das bedeutet: Ohne Gas und damit ohne Öl bei 5000 U/min da runter und mit Vollast bei 50 Km/h ohne Kühlung wieder rauf. Und das auf einer Autobahn und als Erschwernis noch eine kranke Zündspule ...
Danke, nein !!! Also die nächste Brücke anvisieren. Doch die Karte sagt: nix Brücke, Tunnel ist angesagt und das auch erst in Antwerpen 60 Kilometer weiter östlich. In dem Moment macht die Karte ... Ich drücke es mal so aus: Segelmacher sollten sich diese Karte genau anschauen. Nein, nicht, was darauf gedruckt ist, sondern wie patentgefaltet sie ist. Wenn sie Spinnakersegel genauso schneidern, dann würden ihnen diese Segel weggekauft werden wie warme Semmeln. Es ist schon (im Nachhinein gesehen) faszinierend, dass sich eine so große Papierfläche in Picosekunden voll entfalten kann. Jetzt bringt mich alles zusammen einem Schreikampf immer näher....
Ich versuche, nach Antwerpen zu fahren, aber der Versuch endet in Goes, dem nächsten größeren Ort. Denn nach zweimaligem Bemühen, die Autobahn zu vermeiden, lande ich wieder an derselben Stelle. Jetzt bin ich am Ende und am Heulen. Im beginnenden Regen fahre ich resignierend auf den Autosnelweg in Richtung Osten, nach Hause. Unterwegs fällt mir ein, dass ich besser das Fährbüro anrufe, weil ich nicht kommen kann. Dieser Anruf wird sich noch bezahlt machen ...
470 Kilometer, 3 Tankstopps und 8 Stunden später bin ich da. Der Roller lief einwandfrei, nur die Tankpausen gerieten etwas länger als üblich, weil die Zündspule erst abkühlen musste. Aber seit Arnheim bin ich im Trockenen gefahren, weil ich trotz dieser Pausen doch etwas schneller als die Regenwolken war.
Heute schlafe ich in ganz trockenen Sachen in einem schönen warmen Bett mit zweiohriger Wärmflasche und mir ist es völlig egal, dass und wieviel es regnet.