Tag 22 - Donnerstag
8 Uhr: es stürmt, es nieselt und dank Ostwind ist es schweinekalt. Die Wolken hängen so tief, dass ich die - jetzt nach Osten startenden - Flugzeuge nicht mehr sehen kann.. Ich werde noch einen Tag in Edinburgh verbringen. Denn Nässe ist eine Sache, Kälte auch eine, beides zusammen muss ich nicht haben. Beides zusammen kriecht beim Motorradfahren durch die Kleidung, egal, wie man angezogen ist und macht gefühllos. Die Gehirnfunktion sinkt, die Reaktionszeit verlängert sich auf Sekunden, die Überlebenschancen sinken. Die Gefahr ist groß, dass irgendwann ein großes Schild virtuell auftaucht, auf dem steht. "Es ist ja doch alles egal". Und dann wartet schon der nächste Baum oder der Straßengraben oder ....
Meine Vorräte haben inzwischen ihren Namen nicht mehr verdient und ich kaufe ein. Mein Spiritus langt nur noch für 2 mal Kaffee oder Tee kochen. Der örtliche kleine Supermarkt hat nichts dergleichen, auf meine entsprechende Frage reagiert das Verkaufspersonal zuerst mit Nichtverstehen, dann bekomme ich eine Wegbeschreibung zu einem Marktzentrum. Das "marketcenter" ist wirklich eins: ein riesiger Parkplatz mit jeder Menge einzelner Märkte, die jede Art von Ware verkaufen. Ein Lebensmittelmarkt, ein Baumarkt, ein MamieundBaby-Markt, ein Hifi-Center, ein Elektrogroßgerätemarkt usw.
Der Lebensmittelmarkt versucht es auf meine Frage nach "alcohol for burning purposes" mit der Abteilung für Grundnahrungsmittel, dort steht neben den Zuckerhüten der 54-prozentige Rum, ansonsten ist man ratlos. Im Baumarkt schickt man mich von der Farbenabteilung zur Gartengrillecke und zurück, aber: Pustekuchen. Es ist dringend mit dem Spiritus und deshalb frage ich auf dem Parkplatz irgendwelche Männer um Rat und schon der dritte hat definitiv gerafft, was ich brauche. Er macht nicht mal den Versuch, mir was zu zeigen oder zu erklären, sondern bedeutet mir nur, ihm zu folgen. Das tue ich bis in einen Drogeriemarkt und dort spricht er mit erst mit einer, dann mit noch einer Verkäuferin und letztere greift unter einen Kassentresen und stellt eine Flasche mit einer Flüssigkeit auf den Tisch. Das soll Spiritus sein, riecht aber ganz anders, sieht aus wie Meister Propper und kostet mehr, als die gleiche Menge brennbarer Rum. Na, mal sehen ...
Am Nachmittag fahre ich noch einmal in die Princess Road (die touristische Hauptstraße von Edinburgh) und tauche noch mal ein in das Pflichtprogramm. Diesmal mit Essen: Fish and Chips muss man ja mal gehabt haben, damit man mitreden kann. Ich kann das jetzt und werde es deswegen nicht noch einmal essen. Für dies Erfahrung waren umgerechnet 15 Euro fällig. Wahrscheinlich kostet 5 Euro die Tatsache, dass sich der Imbiss in der "Princess Mall" befindet. Anschließend hat der Roller mich auf den Castle Hill gebracht, aber im Castle wurde irgendeine Veranstaltung vorbereitet und ich kam nicht rein. Der Bahnhof wimmelte förmlich von Sicherheitspersonal, das Scotts Monument war von Fotoapparaten umlagert, die Bänke haben mich begeistert nach der Lauferei. Die Bänke: es hat sich eingebürgert dort, dass Angehörige von Verstorbenen, die dieser Stadt besonders zugetan waren, zum Gedenken an ihn eine Bank an der Princess Street aufstellen mit einer Gedenktafel dran. Das freut den Wandersmann und dort kann man wunderbar die üblichen Postkartengrüße schreiben: "Bin in Edinburgh, mir geht es gut, das Wetter ist Klasse, Grüße aus der Ferne" usw.