Tag 4 - Sonntag
Heute morgen registriere ich schon nicht mehr, dass es regnet, so normal ist das Geräusch für mich schon. Als es um Zwölf endlich aufhört, beschließe ich, Rockanje zu verlassen und die nächste Nacht in Vlissingen zu verbringen. Das ist der Ort am Nordrand der Westerschelde, von der aus die Autofähre mich auf die andere Seite bringen soll, von dort sind es nur noch 50 Kilometer nach Zeebrügge. Der nächste Wegweiser zeigt 3 Orte: aus dem einen komme ich, der zweite liegt auf derselben Insel im Osten und den dritten finde ich erst, als mir die Karte zum vierten Mal wegfliegen will. Beim 4 Greifen habe ich sie zufällig so geknüllt, dass mein Blick auf eben den Namen fällt: ein kleines Kaff namens Renesse am Nordende von Schouwen-Duiveland. Und ich Doofmann hatte erwartet, das der Fährhafen Vlissingen ausgeschildert ist oder zumindest die alte Stadt Middelburg.
Nach der Abfahrt klart es richtig auf, die Sonne scheint und es wird richtig warm. Auf dem Browersdam hat offensichtlich ein Rockkonzert stattgefunden, es wird hier abgebaut und deswegen ist die Nebenstraße gesperrt. Man lässt mich aber auf dem Radweg vorbeifahren. Wegen des schönen Wetters und der vielen Zeit, die ich habe, fahre ich in die Innenstadt von Middelborg und trinke dort Kaffee. Hier erregt mein Gefährt zum ersten Mal reges Interesse: während ich 30 Meter weiter in der Sonne sitze und den guten holländischen Kaffee genieße, ist mein Roller die ganze Zeit von Schaulustigen umringt. Und obwohl der Roller scheinbar unbeaufsichtigt ist, fasst niemand irgendetwas an. Sehr beruhigend! Leider kommen wieder drohende Wolken und ich mache mich wieder auf den Weg.
In Vlissingen vermisse ich wieder Hinweisschilder auf die Fähre und finde sie auch erst nach einer „Hafenrundfahrt“ und der Hilfe eines Einheimischen. Er erzählt, dass die Fähre seit einiger Zeit keine Autofähre mehr ist, weil es inzwischen einen Autobahntunnel 30 Kilometer weiter östlich gibt. Die jetzige Fähre nimmt nur noch Fußgänger und Radfahrer mit. Der Vlissinger rät mir, morgen einfach mal zu fragen, ob sie mich auch mitnimmt. OK, ich suche mir einen Campingplatz.
Der Platz ist das zweite Standbein eines Bauern nicht weit vom Hafen entfernt, klein, aber gut und kinderfreundlich eingerichtet. Er wird am Ende meiner Reise mit 8 Euro der zweitbilligste Platz sein. Meine Nachbarn auf der Wiese - ein Rentnerehepaar - reisen mit einem Wohnmobil, Fahrrädern und zwei Papageien. Für letztere gibt es auch einen Käfig, aber obwohl der draußen steht, sitzen die Vögel auf ihm und nicht darin. Und als ich nach dem Zeltaufbau mit Tee auf meinem Roller sitze, sehe ich zu meinem Erstaunen, wie mein Nachbar sich sein Fahrrad greift und mit einem der Vögel auf der mit dünnem Tauwerk umwickelten Lenkstange davonfährt. Tja, die Vögel wollen auch mal was sehen von der Welt ...
Beim abendlichen Nachdenken über den Tag wird mir klar, dass es die Zündspule sein muss, es kann nichts anders sein. Was mach ich nun? Im Prinzip könnte ich ja jede beliebige Zündspule aus einem PKW statt dessen einbauen. Aber das morgen noch?. Die Zündspule ist so eingebaut, dass man ohne Demontage des Beinschildes nur schwer drankommt, es kostet also Zeit. Ich muss ja die Fähre noch erreichen. Oder sollte ich versuchen, mit dem Defekt noch zum Bellatreffen in England zu kommen, die Clubmitglieder können mir sicher helfen?