Tag 28 - Mittwoch
Ich konnte, was mich sehr wundert, allerdings habe ich auch zwei von den Sesseln benutzt, mit den Knien über der Lehne und so. Die Kinder und die Krähen habe sicherlich für die nötige Müdigkeit gesorgt. Das Frühstücksbuffet soll 16,50 Euro kosten, da bin ich doch zu geizig zu, mehr als zwei Stullen mit Käse und ebensoviele Becher Kaffee hätte ich nicht gegessen und getrunken.
Um kurz nach 12 legt das Schiff in Zeebrügge an und alle sehen zu, dass sie weg kommen, auch ich, allerdings erst nach einem intensiven Studium der Karte. Ich finde eine gute durchgehende Strecke durch Belgien, möglichst weit von Großraum Brüssel entfernt, sie beginnt zwar mit einem reichlichen Stück Autobahn, aber heute ist mir das recht: ich will nach Haus, so schnell es geht. Nach der Autobahn gibt es "Bundesstraße" bis zur deutschen Grenze und die Fahrt ist wenig aufregend, man muss sich nur manchmal mit wegweisenden Schildern etwas anstrengen. Ich leiste mir noch einen kleinen Abstecher: ich wollte schon immer mal zur Halbinsel Sinai. Die Halbinsel finde ich nicht, aber in Sinaai war ich jetzt auch! (Das Dorf liegt mitten zwischen Gent und Antwerpen und ist ein Stadtteil von Sint-Niklaas).
Bei Roermond fahre ich dann über die Grenze und bin wieder in Deutschland. In Brüggen suche ich den nächsten Supermarkt auf und kaufe mir a) Spiritus und b) eine Flasche alkoholfreies Weizen. Ersterer ist wieder knapp und steht hier in Deutschland genau da, wo ich ihn immer finde: bei den Putzmitteln in Literflaschen zum Spottpreis. Letzteres habe ich jetzt 4 Wochen vermisst, denn alkoholhaltiges Bier trinke ich nicht und alkoholfrei heißt außerhalb Deutschlands: Malzbier und diese süße Limonade trinke ich erst recht nicht. Als ich wieder aus dem Markt komme, macht mich ein älterer Herr darauf aufmerksam, dass aus meinem Roller eine Flüssigkeit auslaufe. Dem ersten Schreck folgt die Erleichterung: es ist Schlagsahne. Bei der "heißen" Fahrt durch Belgien ist einer der beiden Becher dem Auspuff zu nahe gekommen ...
Kurz hinter Brüggen muss ich tanken. Als ich gerade den Tank wieder zuschraube, höre ich hinter mir eine Stimme: "Gute Weiterfahrt wünsche ich". Als ich mich umdrehe, steht dort ein junger Bauer neben seinem 140-PS-Traktor, er nickt auf den Roller: "Ich sehe ja, wo sie herkommen und ich muss schon sagen: reife Leistung, 250 Kilometer für so eine alte Maschine." Ich muss sofort anfangen, herzlich zu lachen und kläre den daraufhin verdutzten Mann auf: "Ich komme gerade vom Loch Ness und wir haben fast 5000 Kilometer hinter uns." Darauf klappt ihm die Kinnlade runter und er bekommt noch mühsam ein "Mit dem da ???" heraus, wobei er wieder dem Roller zunickt.
Ja, mit dem da! Und ich weiß genau, dass die restlichen 250 Kilometer keine Problem sind. Bei der Weiterfahrt habe ich ein paar Tränen in den Augen und muss mir verkneifen, dem Roller aufmunternd und dankbar den "Hals" zu tätscheln. Womöglich hätte er dann gewiehert ...
Der heutige Campingplatz ist der "Freizeitpark Wisseler See" und hier kann ich mir den Platz für mein Zelt nicht aussuchen, ich bekomme eine Nummer ( ich bin wieder in Deutschland ) und muss nehmen, was kommt. Heute hat die Vorsehung eine Kombination für mich ausgesucht, die noch nicht da war: auf der einen Seite eine Großfamilie mit drei großen Zelten im Karree und "Dorfplatz" darin und ein vierköpfige Gruppe Jugendlicher auf der anderen Seite, die mich schon mit voll aufgedrehtem Ghettoblaster empfangen. Sie drehen das Ding aber brav leise, als ich darum bitte. Die ersteren bitte ich gegen 11 Uhr um Nachtruhe, was die auch tatsächlich ohne Widerspruch tun.
Die Jugendlichen kommen erst um halb eins und stellen fest, dass deren eine Luftmatratze keine Luft enthält. Nach 10 Minuten pumpen kommt dann die Erleuchtung: es hat einen Grund, dass keine Luft in der Matratze ist und der Grund heißt "Loch". Was eine aufgeregte Diskussion hervorruft. Die höre ich mir 10 Minuten mit an und verlange dann auch von denen Ruhe. Das klappt zuerst auch, aber dann fängt die Gruppe an, Karten zu spielen. Ich habe jetzt keine Lust mehr, aufzustehen, stelle meinen Wecker auf 7 Uhr und zwinge mich, zu schlafen.