Tag 14 - Mittwoch
Der Morgen ist ruhig und der Himmel dunkel bewölkt. Als ich mit dem Frühstück und Packen fertig bin, hat sich daran nichts geändert, aber immerhin ist es trocken geblieben. Ich will mir vor der Abfahrt noch die Zähne putzen und lege meine Brille dazu auf die Ablage unter dem Spiegel. Eine Sekunde später liegt meine Brille auf den Fußbodenfliesen. Da hat doch irgendein Witzbold die halb abgerissene Ablage ganz vorsichtig auf die Schraube gelegt und die hat unter der "Last" der Brille nachgegeben und ist abgekippt. Aber meine Brille hat einen stabilen Rahmen und deshalb sind die Gläser noch heil. Allerdings ist der Adrenalinspiegel auf einem Niveau, das der Roller nie erreicht: auf 180!

10 Kilometer westlich von Revin liegt Rocroi, eine "Stadt" die nur mit einem Blick von oben durch z.B. Google-Earth richtig dastellbar ist. Rocroi besteht auch heute noch nur aus der mittelalterlichen Wehranlage mit den Häusern in dieser "Feste". Mit Wehranlage meine ich wirklich den tiefen Graben, den Wall, die Mauer mit den Stadttoren und den zentralen Platz, auf dem sich die Soldaten einst "tummelten". Ich kann kaum glauben, was ich sehe. Ob meine Brille wohl doch einen Schaden hat?
In einem Dorf namens Mon Idèe
erreiche ich die
Bundesstraße N43, die im Prinzip genau geradeaus nach Calais
führt. Hier soll eine Tankstelle sein, die ich jetzt auch
brauche.
Doch obwohl das Dorf überschaubar ist, ich finde keine
"Tanke".
Also frage ich. Bis hierhin habe ich gedacht, dass der Mann mit dem
Motorroller von gestern schon gut war. Jetzt kommt es noch besser: der
Mann ist Gemeindearbeiter, setzt sich auf sein Arbeitsgerät
und
bedeutet mir, ihm zu folgen. Also zuckle ich jetzt hinter einem
Aufsitzrasenmäher her. Die "Tankstelle", die wir einige Zeit
später erreichen, ist eine armselige Zapfsäule nur
für
Benzin vor einem Gebäude, das sich als Kombination aus Kiosk
und
Kneipe erweist. Die Wirtin zapft also nicht nur Bier...Die "Bundesstraße" ist zum Vorwärtskommen ideal: fast gerade und ohne wesentlich Steigungen und Gefälle. Allerdings ist das Land hier auch wieder flacher und ich fahre wieder gegen den Wind, wie in Holland. Mittags bin ich schon in Cambrai, zwischendurch hat es kurz geschüttet, danach eine halbe Stunde geregnet. Beim "Schütten" habe ich mich untergestellt, beim Regen war ich schon wieder auf Achse, das schreckt mich schon nicht mehr. Das Bellatreffen ruft ...
Vor dem Ortseingang von Arras sehe ich
routinemäßig auf den
Tacho und halte sofort an: ich habe einen Mitfahrer! Auf dem
Ziffernblatt sitzt ein Ohrenkneifer und versucht verzweifelt, sich am
Tachnadelanschlag festzuhalten. Das arme Tier muss durch die
Vibrationen schon ganz kirre sein, aber ich kann ihm nicht helfen, wenn
ich nicht das Tachoglas einschlage. Allerdings stelle ich mir die
Frage, wem von uns beiden es wohl besser geht: das Tier sitzt unter dem
Glas und darüber regnet es und dort bin ich.
Die weitere Fahrt verläuft
ereignislos und um 19:30 bin ich am Cap
Gris-Nez am Kanal. Am Ärmelkanal!
Ungefähr 150 Kilometer von
dem Punkt entfernt, an dem ich vor 9 Tagen umgekehrt bin (macht 1,44
km/h).
Einen Campingplatz finde ich nicht
weit entfernt an einem
Bunkermuseum. 
Es stehen am Atlantik und am Kanal noch viele Bauten aus dem zweiten Weltkrieg (Atlantikwall) und hier ist es eben ein Bunker, der zum Museum umgebaut wurde.
Ich freue mich nach dem Geknatter in Revin gestern auf eine ruhige Nacht, doch diese Hoffnung vernichtet eine französische Großfamilie in Sekunden ...