Tag 49, 17. Oktober
Nachts hat es wieder kräftig geregnet. Inzwischen verstehe ich auch, warum es auf britischen Campingplätzen meist geschotterte Stellflächen gibt. Jetzt am Morgen nieselt es nur noch und die Wolken werden dünner.
Gestern ist uns an diesem Campingplatz aufgefallen, dass er wie ein Park wirkt mit seinen alten Bäumen und Rhododendren. Wie sehen uns jetzt im Hellen nochmal um und entdecken auch alte Mauern und eine Freitreppe:
Ein wenig Recherche bringt folgendes ans Licht: hier stand mal ein herrschaftliches Haus: Normanhurst Court. Meine übersetzte Kurzfassung aus der englischen Wikipedia: "Das Haus wurde gebaut auf Veranlassung von Thomas Brassey, der einer der führenden Eisenbahnbauer im 19. Jahrhundert war. Die Bauarbeiten wurden im Jahr 1870 beendet, kurz nachdem Brassey starb. Der Baustil ist der eines französischen Herrenhauses. Während des 1. Weltkrieg diente das Haus als Lazarett für verwundete Soldaten, zwischen den Kriegen war es Mädchenschule, während WW II diente es als Gefangenenlager. Danach verkam das Anwesen, 1951 wurden die Gebäude abgerissen. Seit 1978 ist das Gelände ein Campingplatz." Die beiden Bilder stammen aus der Rezeption des Platzes, sie zeigen die Freitreppe.
Damit hat das Haus die durchschnittliche Lebensdauer von 80 Jahren erreicht, die Gebäudeversicherer für ein Einfamilienhaus annehmen ...
Wir fahren weiter. Eigentlich wollten wir in der Stadt Folkestone einen Bummel machen, aber wir haben etwas umdisponiert: wir besuchen einen alten Friedhof am Westrand der Stadt, den Friedhof der St. Martin's Church. Und hier besuchen wir ein bestimmtes Grab:
Sagt Dir dieses Zeichen etwas? Nein? Ich zeig es Dir nochmal:
Das ist die Freibordmarke am Segelschiff Cutty Sark. Wikipedia klärt diesen Zusammenhang auf: "Samuel Plimsoll (* 10. Februar 1824; † 3. Juni 1898) war ein britischer Abgeordneter, der gegen eine Reederschaft zu Felde zog, die absichtlich seeuntüchtige Schiffe ausfahren ließ, um bei Schiffbruch die Versicherungssumme zu erhalten. Er mobilisierte die öffentliche Meinung gegen Premierminister Benjamin Disraeli und die Schiffseigner für eine Gesetzesvorlage gegen nicht seetüchtige Schiffe (Unseaworthy Ships Bill). Sie führte 1890 zur Kennzeichnung aller Handelsschiffe des Königreichs mit der so genannten Freibordmarke, grafisch ein waagrechter Strich mit Kreis, die später von nahezu allen seeschifffahrttreibenden Nationen übernommen wurde. Diese Freibordmarke wird auch Plimsoll-Marke genannt."
Auf Herr Plimsoll bin ich durch diesen Spiegel-Artikel vom Februar 2021 gestoßen. Der Artikel bezieht sich wiederum auf das Buch "Helden: Die mutigsten Geschichten von See", erschienen im Ankerherz Verlag. In dem Beitrag heißt es: "Für den Zeitraum von 1861 bis 1870 registriert die Handelskammer gar 5826 Havarien unmittelbar vor der Küste, die zu einem Schiffsverlust führten. 8105 Seeleute kamen dabei ums Leben." Und das soll den Reedern egal gewesen sein, denn die Schiffe waren gut versichert. Und Seeleute, die sich weigerten, ihren Dienst auf einem überladenen Schiff anzutreten, konnten bestraft werden. Harte Zeiten. Und weil nach der internationalen Einführung der Freibordmarke sehr viele Seeleute eben nicht mehr ihr Leben verloren, steht auf dem Grabstein von Herr Plimsoll diese Textzeile:
Für die Lademarken kannst Du Dir diesen Artikel in der Wikipedia durchlesen. Die beiden Bilder mit den Freibordmarken stammen aus der Wikimedia.
Wir sind durch mit dem Tag und fahren zum Campingplatz Daleacres Club Campsite in der Nähe des Ortes Hythe.
Morgen wollen wir mal ein wenig mit der Eisenbahn fahren, die Straßen hier sind einfach zu schlecht!